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1

Das Haus gegenüber hat viele Augen. Ich habe sie nicht gezählt und ich weiß nicht, was für ein Zauberer sie anzündet, wenn die Nacht als magere Wölfin auf die Stadt springt. 

2

Stundenlang steht mein Geliebter schweigend am Fenster. (Ich stehe hinter ihm mit einer zarten Perlenkette um den Hals, er sieht  mich nicht.) Die Hand der Stille öffnet sich nur für ihn. Sie ist leer, aber er küsst sie. Gegen Morgen füllt  sie sich mit goldenem Staub und mein Geliebter dreht sich um. Seine Augen sind weit geöffnet und er träumt. Sein Mund ist ein großer, satter Leuchtkäfer.

3

Diese Nacht hat sich das Fenster geöffnet und ein heißer, riesiger Stern rollte langsam in das Schlafzimmer. Er kreiste um den Schreibtisch und um den Käfig mit unserem dummen alten Papagei, der sich genauso wie ich mit Schlaflosigkeit quälte. Die beiden schauten einander entsetzt an. Der Papagei fiel lautlos in Ohnmacht,

und der Stern eilte zurück zum Fenster wie ein Dieb.

4

Es hat geregnet in der Nacht und wir liebten uns. Danach lag ich noch lange wach und dachte an dich. Ich weiß nicht, was mich zum Aufstehen zwang. Der Boden war kalt und ich war warm von dir, von Liebe und Schlaf. Im Haus gegenüber stand eine andere Frau am Fenster und schaute mich an. Sie war schön. Um schöner zu sein, warf ich mein Nachthemd weg. Sie machte dasselbe. So standen wir beide nackt und schauten einander in die Augen. Keine von uns wollte den Blick senken und so verlieren. Dann sah ich ihren Mann hinter ihr. Er wollte sie umarmen. Und im Augenblick, als er sie umarmte, senkte ich den Blick und verlor, und spürte deine warmen, verschlafenen Hände auf mir.

Es wurde langsam hell, wir standen zu viert einander gegenüber und nur der Regen trennte uns.

 

 

Copyright © by Marjana Gaponenko